Einhörner
sind Pferde mit Profilneurose. Das ist ein Fakt. Das finden zumindest Ludwigs
Eltern. Eine Profilneurose ist, wenn man versucht, jemand zu sein, der man
eigentlich gar nicht ist, weil man sich für jemanden hält, der man gar nicht so
gerne sein möchte, wie der, der man zu sein versucht. So haben es zumindest
Ludwigs Eltern erklärt. Und dann haben sie gesagt, dass er gefälligst aufhören
soll, so zu tun, als wäre er ein Einhorn, nur weil er eine Beule auf der Stirn
hat. Dabei tun Beulen eigentlich weh und das ist doch wohl auch ein Fakt,
findet Ludwig.
Na
ja, auf jeden Fall versteht sich Ludwig nicht so gut mit seinen Eltern. Und mit
den anderen Pferden versteht er sich auch nicht so gut. Sie sagen, dass nicht
jeder, der eine Narbe auf der Stirn hat, gleich Harry Potter sei. Deshalb ist
Ludwig am liebsten alleine. Dann macht er Dinge, die nur Einhörner machen.
Stockbrot zum Beispiel. Ohne Stock. Davon bekommt man eine heiße Stirn und es
ist ganz schön knifflig, das Stockbrot mit den Vorderhufen vom Horn zu kratzen.
Aber das schmeckt, sage ich euch! Außerdem kann er sich auf sein Horn stützen
und dann herumwirbeln wie ein riesiger Kreisel. Davon bekommt man einen
Drehwurm und einen Drehwurm zu haben ist mindestens so cool wie das, was die
Menschen "betrunken" nennen. Das ist Lebensqualität. Wer braucht da
schon Freunde?
Doch
gerade das, also dass Ludwig keine Freunde hat und trotzdem glücklich ist,
macht die herkömmlichen Pferde stutzig. Ludwig ist ihnen suspekt. Wer suspekt
ist - das weiß jedes Fohlen - gefährdet die Gemeinschaft und wer die
Gemeinschaft gefährdet, muss weg. Für immer.
Ein
teuflischer Plan
Also
- ihr ahnt es bereits - planen die Pferde ein teuflisches Attentat. Das
Teuflische an dem Attentat ist, dass es Ludwig dort packen soll, wo er
einzigartig ist. An seinem Horn. Der Plan geht so:
Ludwig
liebt Musik. Na ja, er liebt Scooter. Zu "Faster, harder, Scooter"
kann man einfach am besten kreiseln. Deshalb platzieren die Attentäter einen
riesigen Ghettoblaster in einem abgelegenen Waldstück. Dann buddeln sie
rundherum einen tiefen Graben und decken ihn mit Ästen und Blättern ab. Schließlich spielen sie Scooter auf maximaler
Lautstärke und verstecken sich im Gebüsch. Wie gesagt: teuflisch!
Der
Plan geht auf. Ludwig hört die Musik, macht einen Luftsprung, galoppiert in den
Wald, stützt sich auf sein Horn, kreiselt zum Takt und stürzt ins Verderben. Er
verhungert.
Ich
bin König
Tja
lieber Leser, damit hast du nicht gerechnet was? Die Geschichte fing ja
irgendwie ganz drollig an und du wähntest dich in Sicherheit. Warst sicher,
dass Ludwig am Ende sein Glück finden würde, so wie das Hömmchen oder
Cornelius. Da hast du dich ganz schön einlullen lassen von mir, dem
vermeintlich treu-doofen Erzähler. Ich sag dir mal was: Das ist meine
Geschichte und wenn mich dieser Scooter hörende Mistgaul nervt, dann
lass ich ihn eben verhungern. Punkt. Im Übrigen hatten Ludwigs Eltern recht. Er
hatte gar kein Horn, das war einfach nur eine picklige Beule. Die sah furchtbar
aus, das sag ich dir. Und ich sag dir noch was: Außer Ludwig sind auch noch 45
Sumatra-Orang-Utans in die Grube gestürzt. Die sind vom Aussterben bedroht. Die
Grube war pickepackevoll und dann gute Nacht Marie. Jetzt fragst du, ob
wenigstens die ach so bösen Pferde für ihre Hinterlist bestraft wurden? Nö. Die
galoppieren glücklicher in die Abenddämmerung als der verdammte Jolly Jumper
auf der letzten Seite der Lucky Luke-Comics. Das ist so, weil ich es so will und wenn ich es mir
morgen anders überlege, werden sie halt von einem Zug überfahren. Hier bin ich König und ich bin eine richtige Drecksau, merk dir das.
Darf
es zum Einschlafen noch ein kleines Märchen sein? Sehr gerne: Es war einmal
eine Prinzessin und die war so hässlich, dass sie bis an ihr Lebensende alleine
blieb. Ende.
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