Achtung! Die nachfolgende Geschichte kann Spuren von Fiktion enthalten.
Plötzlich
ist das Hömmchen da. Einfach so. Ohne Mama, ohne Papa. Einfach da. Doch es hat
ein Problem: Es gibt keine Hömmchen. Das könnt ihr gerne googeln. Und mit dem
Nicht-Sein ist das so eine Sache. Wer nicht ist, kann nicht essen und wer nicht
isst, der verhungert.
Verhungern
findet das Hömmchen blöde. Außerdem ist es einsam und das ist auch blöde.
Existenzielle Checkliste
Also
packt das Hömmchen seinen Rucksack und macht sich auf die Suche nach jemandem,
der seine Existenz bestätigt.
Existenzbestätigung
heißt:
Jemand…
-
sieht
das Hömmchen.
-
erkennt
es als etwas an, das wirklich in der echten Welt ist.
-
mag
das Hömmchen.
-
packt
alle anderen am Schlafittchen und schüttelt sie so lange, bis sie ihrerseits an
das Hömmchen glauben.
Ein pickepackevoller Rucksack
Zuerst
packt das Hömmchen eine Trompete in den Rucksack. Die Trompete muss mit. Nicht
etwa, weil das Hömmchen ein guter Trompeter wäre - in Wahrheit ist es ein ganz
und gar abscheulicher Trompeter- sondern einzig zu dem Zweck, dass jemand das
Hömmchen hören möge. Denn was man hört, das existiert, daran wird wohl niemand
zweifeln.
Weiter
packt es eine Fertigpizza in seinen Rucksack. Eine Pizza zu essen wäre das
absolut erste, was das Hömmchen täte, wenn man es als etwas Seiendes anerkennen
würde. Immerzu muss sich das Hömmchen vorstellen, wie wohl eine Pizza schmeckt.
Doch wenn es dann eine Pizza essen will, sagt die Pizza:
„Ich
habe auch meinen Stolz.“
Zuletzt
steckt es noch ein Smartphone zwischen die Pizza und die Trompete. Ein Selfie
zu machen wäre das absolut zweite, was das Hömmchen täte, wenn man es als etwas
Seiendes anerkennen würde. Das könnte es dann mit #seinistfein twittern und
schon bald würde jeder das Hömmchen kennen. Sogar Google.
Jetzt
ist der Rucksack so voll, dass sich der Reißverschluss überhaupt nicht mehr
schließen lässt. Das ist aber fast gar nicht schlimm, weil sich Trompete, Pizza
und Smartphone ja gegenseitig festhalten.
Die Suche
Endlich
macht sich das Hömmchen voller Zuversicht auf die Suche nach seinem ersten
Freund. Ein Freund soll es sein, doch kein bestimmter. Anspruchsdenken ist der
Tod des kleinen Mannes, findet das Hömmchen und fürs erste tut es auch ein
nicht so toller Freund.
Deshalb
besucht es zuerst den Bäcker. Der Bäcker hat nämlich auch keine Freunde, weil
sein Brot so hart ist und weil er so viel Kümmel reintut. Da könnte man sich ja
prima zusammentun, denkt das Hömmchen.
Es
betritt die Bäckerei.
„Ich
bin das Hömmchen. Lass uns Freunde sein!“, ruft das Hömmchen.
Allerdings
denkt der Bäcker gar nicht daran, das Hömmchen zu sehen und auch seine Trompete
will er nicht hören und sogar auf die vielen schlimmen Wörter, die es dann ruft
(z.B. „Backheini“) reagiert er nicht, bis es schließlich beleidigt
davonstampft. Ohne Freund, ohne beglaubigte Existenz, ohne Selfie.
Doch
das Hömmchen ist unbeirrbar. Niemand wird es bei seiner Suche aufhalten, da ist
es sich sicher, denn niemand kennt das Hömmchen und es wäre absurd zu glauben,
dass irgendjemand zu jemand anderem sagen würde:
„Komm
wir halten das Hömmchen auf, sonst trinkt es uns den Apfelsaft weg“.
Also
nimmt es seinen Rucksack und macht sich auf den Weg zu anderen Menschen, von
denen es glaubt, dass sie keine Freunde haben. Zum Beispiel zu Emos. Das
Problem ist: Emos haben Freunde. Mit denen sind sie dann zusammen traurig,
obwohl sie doch Freunde haben. Das wiederrum versteht das Hömmchen nicht und es
wird seinerseits traurig. Traurig, weil es keine Freunde hat, traurig, weil
Leute mit Freunden traurig sind, nur um der Trauer willen, traurig weil niemand
seine Trompete spielen hört und traurig, weil dieser verdammte Rucksack so
schwer ist.
The Cabin in the Woods
Als
es fast schon dunkel ist, gelangt das Hömmchen an eine sehr abgelegene Waldhütte.
Mit abgelegenen Hütten sollte man vorsichtig sein, findet das Hömmchen. In
abgelegenen Hütten zu wohnen macht grundsätzlich verdächtig. Innerlich macht es
eine Liste von Bewohnern abgelegener Hütten:
-
die
Pfefferkuchenhexe
-
der
Waldschrat
-
Räuber
Grapsch
-
Jason
Abgesehen
vom Räuber Grapsch (der ist nett) ist das eine furchteinflößende Liste. Doch das
Hömmchen ist mutig. Es klopft an die Tür. Jemand öffnet. Es ist der Waldschrat.
Hömmchen: Hallo Waldschrat, ich bin das
Hömmchen.
Waldschrat: Hallo Hömmchen, ich bin der
Waldschrat.
Hömmchen: Mmh…
Waldschrat: Tjoa…
Hömmchen: Mit dem Wetter haben wir ja Glück
gehabt.
Waldschrat: Ja, die Tage sind kurz und kalt.
Es folgen einige sehr lange
Augenblicke peinlicher Stille, dann:
Hömmchen: Darf ich reinkommen?
Erleichtert
tritt das Hömmchen ein. Es gelangt in einen kleinen Vorraum. In der linken Ecke
sieht es eine Kiste mit Smartphones, rechts einen riesigen Stapel ungeöffneter
Fertigpizzen. Die Fertigpizzen haben mit Tomatenmark ein Mantra an die Wand
geschmiert:
NEVER AGAIN. NEVER TRUST
FANTASY FIGURES. WE FIRST, ALWAYS.
Das
Hömmchen kramt in seinem Rucksack und packt Smartphone und Pizza auf die dafür
vorgesehenen Stapel.
„Und
die Trompete?“, fragt es.
„Die
kannst du mitnehmen, Musik fördert die Gemeinschaft“, antwortet der Waldschrat.
Dann
betreten sie einen riesigen Gemeinschaftsraum. In der Mitte sitzen in einem
Stuhlkreis:
-
die
Pfefferkuchenhexe
-
Räuber
Grapsch
-
Jason
-
Lord
Voldemort mit Harry Potter auf dem Schoß
-
viele
andere
Der
Waldschrat und das Hömmchen setzen sich dazu. Man unterhält sich über die
entzauberte Welt, die Diktatur der Logik, fehlende Anerkennung und den
Geschmack von Pizza. Später spielt das Hömmchen auf seiner Trompete. Alle
anderen laufen hektisch um den Stuhlkreis und wenn das Hömmchen mit dem
Trompeten aufhört, setzen sie sich wieder hin. Es sind genügend Stühle da. Hier
wird niemand mehr ausgeschlossen. Hier ist Existenz Nebensache. Es ist das
erste Mal, dass das Hömmchen wirklich glücklich ist.
Super Geschichte! Ganz klasse!
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